Velotunnel: Ja, aber sicher und komfortabel

Der Velotunnel unter dem HB ist dringend nötig und längst überfällig. Der entsprechende Kredit wurde denn auch vom Stadtzürcher Stimmvolk am 13. Juni 2021 mit 74% Ja-Stimmen klar angenommen worden. Der VCS hat die Vorlagen ebenfalls unterstützt, sieht aber viele Möglichkeiten für eine substanzielle Verbesserung für die Sicherheit und den Komfort bei der Weiterbearbeitung des Projekts.

Noch ist Zürich keine Velostadt, sie wird es aber in 10 Jahren sein. Dann wird der Velotunnel unter dem HB, der die Stadtkreise 4 und 5 verbindet, eine Schlagader im städtische Velonetz sein. Die Bedeutung steigt noch, weil im Vollausbau mit der Velostation Süd und der Velostation Stadttunnel über 4'000 Veloabstellplätze erschlossen werden, die sehr attraktiv sind für Zugpendler.
Wenn heute in der Langstrassenunterführung täglich über 6'000 Velos unterwegs sind, ist es naheliegend, dass es im Velotunnel mindestens gleichviele sein werden, Zahlen dazu wurden aber vom Tiefbauamt nie geschätzt. Weil aber die Stadt Zürich auf gutem Weg ist Velostadt zu werden, könnten es auch wesentlich mehr Velos sein. Der Velotunnel verkürzt die Fahrstrecke, weil der HB nicht mehr über Bahnhofplatz und Bahnhofquai umfahren werden muss.

Bestehende Sicherheitsmängel im aktuellen Projekt

Im folgenden analysieren wir die Sicherheitsmängel im aktuellen Projekt und zeigen auf, wie das Projekt verbessert werden kann, ja verbessert werden muss, um die grosse Zahl von Velofahrenden sicher in den Untergrund zu bringen.

  • Zu steil

Die Tunnelroute könnte sicher und attraktiv sein. Die Betonung liegt leider bei «könnte». Das Projekt verletzt die Norm in mehrfacher Hinsicht. Die Norm ist nicht Selbstzweck. Vielmehr ist sie wie ein roter Faden für Sicherheit und eine gute Funktionalität. Die Rampe Sihlquai wird 10 % steil und die Rampe Konradstrasse sogar 12 %! Diese Werte liegen weit über den zulässigen 6 %. Mit diesen Steigungen kommt es aufwärts zu Überholmanövern, weil die Velofahrenden unterschiedlich schnell unterwegs sind. Diejenigen mit Elektrounterstützung werden mindestens die zulässige Geschwindigkeit von 20 Km/h nutzen wollen, diejenigen mit Muskelkraft werden teilweise nur halb so schnell sein. Abwärts wird die zulässige Geschwindigkeit von allen nicht eingehalten werden können bei so grossem Gefälle. Das wird extrem gefährlich, weil die unterirdische Verknüpfung im Velotunnel sehr eng und unübersichtlich ist. Kollisionen mit Personenschaden sind unvermeidlich. Ein Verkehrsplaner, den der VCS konsultierte, hatte kommentiert: «Horror»! Das Tiefbauamt hat nie eine unabhängige Sicherheitsprüfung durchgeführt.

Das Tiefbauamt findet Raumhöhen von 4 – 6 m wichtiger als geringere und sichere Steigungen. Dabei hat die Stadt mit der Quartierverbindung im Bahnhof Oerlikon bewiesen, dass sie auch eine sehr gute und normgerechte Veloverbindung planen und realisieren kann. Dort beträgt die Rampensteigung maximal 6 % und die geringste Raumhöhe ist 2.80 m. Diese attraktive und sichere Anlage wird nie mehr als 10 % der Anzahl Velofahrende aufweisen im Vergleich zum Velotunnel unter dem HB.

Der Tunnel Kasernenstrasse liegt mit 6 % zwar gerade noch in der Norm. Das ist aber trotzdem zu steil, weil dieser Tunnel einen Knick aufweist und an die Verzweigung zur bestehenden Velostation Süd unter dem Europaplatz anschliesst. Es ist locker möglich die Steigung auf 4 % zu reduzieren und den Knick normgerecht auszurunden. Das Tiefbauamt weigert sich diesen Mangel zu beheben und behauptet Mehrkosten. Dabei würde der flachere Tunnel weniger tief ins Grundwasser zu liegen kommen und es müssten weniger bestehende Betonkonstruktionen abgebrochen werden. Statt Mehrkosten sind sogar Minderkosten möglich.

  • ewz-Leitungen wichtiger als sichere Veloinfrastruktur

Die beiden Rampen Sihlstrasse und Konradstrasse liegen viel zu tief im Untergrund und im Grundwasser. Das Tiefbauamt begründet das mit den Werkleitungen, insbesondere den ewz-Leitungen. Die ewz-Leitungen hatten höhere Priorität als die Velorampen. Dabei werden fast alle ewz-Leitungen in diesem Bereich neu erstellt. Damit liessen sie sich leicht seitlich verschieben. Die geplante Leitungsführung ist verschlungen, unnötig lang und damit teuer. Die Vorschläge zur Vereinfachung inkl. Bauablauf hat das Tiefbauamt ausgeschlagen. Dabei könnte die Komplexität des Baus und die Behinderungen des Verkehrs, inkl. VBZ, stark reduziert werden. Auch die Bauzeit liesse sich verkürzen. Das alles ohne Mehrkosten. Das Gegenteil trifft zu, es ergäben sich sogar Minderkosten. Dem elektrischen Strom ist es egal, wenn ein Kabel einmal steil nach oben führt.

Eine funktionierende und sichere Veloinfrastruktur muss erste Priorität haben.

  • Gefährliche Verknüpfungen

Es gibt 3 unterirdische, enge und unübersichtliche Verknüpfungen:

  • Zugang zur Velostation Süd (Europaplatz)
  • neue Velostation im Stadttunnel
  • Zusammenführung von Rampe Sihlquai und Rampe Konradstrasse

An diesen Stellen gibt es einerseits Velofahrende, die nur geradeausfahren möchten, andere möchten abbiegen und andere einbiegen. Es gibt keine Einspurstrecken und keinen Stauraum. Am kritischsten wird die Morgenspitzenstunde sein, wenn möglichst viele Zugpendler ihren Zug erreichen möchten, möglichst noch im letzten Moment. Mit einfachen Analogien und Plausibilitätsüberlegungen kann davon ausgegangen werden, dass pro Stunde 500 – 1'000 Velofahrende in die neue Velostation einfahren möchten und mindestens 500 Velofahrende nur durchfahren wollen. Die Einlassschleuse wird diesen Ansturm nicht verkraften. Bezeichnenderweise hat das Tiefbauamt in der Visualisierung für die Abstimmungszeitung diese Einlassschleusen einfach weggelassen, während das Problem in der Kommissionsberatung permanent geleugnet wurde. Es muss beachtet werden, dass im ersten Ausbauschritt nur ca. 1'100 Abstellplätze erstellt werden. Im Endausbau werden es aber 2'580 Plätze in der neuen Velostation sein.

Ein weitere konfliktträchtige Situation wird beim Zugang zur Velostation Süd (Europaplatz) entstehen. Dort kommt allerdings noch dazu, dass auf einer Seite eine Tunnelstrecken mit 6.5 % vorhanden ist und auf der anderen Seite eine solche mit 6 % geplant ist.

Die Verbindung der beiden Rampen Sihlquai und Konradstrasse ist brandgefährlich mit angrenzenden Gefällen/Steigungen von 10 und 12 %. In Verkennung der Gefahr wird auf eine grosszügige Aufweitung verzichtet. Eine entsprechende Verzweigung in einer Strasse würde mit grosszügigen Einspurstrecken/Abbiegespuren versehen. Bei analogem Verkehrsaufkommen und eingeschränkten Sichtverhältnissen würde zudem noch eine Steuerung mit Lichtsignalen installiert. Im Velotunnel will man die Situation lediglich beobachten und bei Konflikten Schranken installieren, die nur im Schritttempo passiert werden können.

  • Ungenügende Breiten

Die Rampe Sihlquai soll nur 4.50 m breit werden, die Rampe Konradstrasse sogar nur mickrige 4.30 m. Im Velotunnel sind teilweise Verengungen auf 5.30 m geplant. Die Visualisierungen in der Abstimmungszeitung täuschen eine grosszügige Situation vor. Als Vergleich dient die bestehende Rampe in der Kasernenstrasse, die eine Breite von 6.00 m aufweisen. Die Rampe Kasernenstrasse erschliesst heute nur die Velostation Süd mit 1'750 Abstellplätzen und hat noch keine Transitfunktion. Diese Rampe wird von regelmässigen Benutzern bereits heute als zu schmal eingeschätzt. Daraus kann leicht abgeleitet werden, dass die künftige Situation mit einer massiven Steigerung der Anzahl gleichzeitig verkehrenden Velos zu prekären Situationen führen muss.

Daraus kann nur geschlossen werden, dass der Velotunnel auf der ganzen Länge verbreitert werden sollte. Insbesondere die beiden Rampen Sihlquai und Konradstrasse sollten auf 6.00 m verbreitert werden. Mehr wäre besser, aber aufgrund der Platzverhältnisse an der Oberfläche nicht machbar. In der Konradstrasse ist die Verbreiterung möglich, selbst unter Beachtung der Anforderungen der Feuerwehr an die notwendige Durchfahrtsbreite. Bei der Sihlstrasse ist die Verbreiterung leichter möglich, da die gesamte Strassenoberfläche neue erstellt wird und die geplanten Fahrspurbreiten für den MIV noch reduziert werden können. Sie müssen nicht so grosszügig sein und wären breiter als sonst üblich in der Innenstadt von Zürich. Eine weiterer Spielraum ergibt sich aus dem Auftrag des Gemeinderats, die nicht behindertengerechte Tramhaltestelle «Sihlquai» mit engen Kurven auf die Zollbrücke zu verlegen. Dort kann sie in eine Gerade gelegt werden und auf der ganzen Länge behindertengerecht realisiert werden, sowie der Zugang zum den Perrons des HB verbessert werden.

Weil die offenen Rampen nur beschränkt verbreitert werden können, sollte diese wenigstens im unterirdischen Bereich deutlich verbreitert werden. Das gilt vor allem im Bereich der unterirdischen Verknüpfung.

Verbesserungsvorschläge des VCS Zürich

Unser Vorstandsmitglied Hans Jörg Käppeli ist Gemeinderat und Mitglied der vorberatenden Kommission. Er hat eine reiche, mehr als 30-jährige Berufserfahrung, unter anderem in der Planung von Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs unter Berücksichtigung des Bauen unter Bahnbetrieb.  Seine Vorschläge zur Verbesserung wurden ausgeschlagen.

Er konnte aufzeigen, dass die Rampen normgerecht flacher und sicherer realisiert werden können. Sein erfolgsversprechender Ansatz liegt in der Umkehrung der Prioritäten. Zuerst hat er, unter Ausnutzung der Spielräume der Norm konsequent die Rampen flacher ausgebildet. Es ist möglich die Hauptneigungen der Rampen Sihlquai und Konradstrasse auf 6 % zu reduzieren! Er hat dabei eine minimale Höhe von 3.20 m an den Engstellen eingehalten. Einzig bei der Rampe Konradstrasse wird die Höhe auf 2.60 m reduziert zu Gunsten einer flacheren Rampe. Erst danach hat er die Leitungsführung der ewz-Kabelanlagen sinnvoll bestimmt.

Zur Erhöhung der Sicherheit bei den unterirdischen Verknüpfungen hat er zweckmässige Aufweitungen vorgenommen.

Unter Ausnutzung weiterer Vorinvestition des Kantons für die künftige Autobahn lässt sich auch der Bauablauf vereinfachen.

Kanton gefordert

Der Kanton hat die Oberaufsicht und muss das Projekt noch genehmigen. Ausserdem erwartet die Stadt einen finanziellen Beitrag von 14 Millionen Franken. Das Baudepartement ist gut beraten das Projekt erst zu genehmigen, wenn die Mängel behoben sind. Auch der finanzielle Beitrag soll davon abhängig gemacht werden.

Fazit

Der Velotunnel muss der Velostadt gerecht werden. Die Stadt soll das Projekt umgehend verbessern. Diese Chance darf nicht verpasst werden, zumal ein Bauwerk entsteht, das Jahrzehnte Bestand haben wird und nicht nachträglich verbessert werden kann. Es braucht dazu keinen zusätzlichen Kredit, keine neue öffentliche Planauflage und der Baubeginn muss nicht verzögert werden. Auch der Inbetriebnahme 2024 steht sonst nichts mehr im Wege.

Was es braucht, ist die Bereitschaft jetzt die Planung zu korrigieren, bevor mit Bauen unwiderruflich negative Fakten geschaffen werden.

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